Ist die Honigbiene eine Wildbiene oder ein Nutztier?

Ist die Honigbiene eine Wildbiene oder ein domestiziertes Nutztier? Und welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus? Dieser Antwort möchte ich gern ein Stück näher kommen. Gern könnt ihr mir mit euren Gedanken dabei helfen. 

Diesen Artikel habe ich im Juni 2019 geschrieben. Ich würde heute einiges anders formulieren. Inhaltlich hat es nach meiner Auffassung noch immer Gültigkeit. 

Die erste Antwort fällt mir ganz leicht. Ja, sie ist eine Wildbiene. Sie hat sich über viele Millionen Jahre in ihrem Ökosystem weiter entwickelt. Der Wissenschaftliche Name ist Apis mellifera. Man unterscheidet in viele Unterarten. In Italien die Ligustica, in Österreich und darüber hinaus die Carnica und in Deutschland und darüber hinaus die Mellifera. Um es nicht so kompliziert zu machen, bleiben wir in Deutschland. Hier lebte sie meist in Baumhöhlen.


Zum zweiten Teil der Frage. Ist sie ein domestiziertes Nutztier? Ein eindeutiges ja. Sie wurde züchterisch verändert. Seit Bruder Adam geht man daher und verkreuzt gezielt verschiedene Unterarten mit dem Ziel leistungsstärkere und auch sanftmütigere Bienen zu erhalten. Man spricht bei der Buckfast Biene von einer Rasse, so wie man es auch bei Nutz- und Haustieren macht. Es heißt auch, dass die Imkerbienen züchterisch so weit verändert sind, dass sie ohne den Imker nicht überlebensfähig wären. 


Für mich ein klarer Fall. Man müsste zwischen 2 Formen unterscheiden. So wie beim Auerochs, aus dem all unsere Hausrinder gezüchtet wurden. Auerochs / Hausrind – Honigbiene / domestizierte Honigbiene 


Sind sie wirklich nicht ohne den Imker überlebensfähig, die Honigbienen in Baumhöhlen? Tatsächlich hat man sie gefunden. Einige Baumhöhlen sind schon mehrere Jahre bewohnt. Diese werden jetzt von Bienenforschern beobachtet. Wenn sie nicht ohne Imker überleben können, könnten es ja jedes Jahr neue Schwärme von Imkern sein. Aber selbst wenn sie schon viele Jahre wild in den Baumstämmen wohnen sind es keine Wildbienen, sondern verwilderte, also feral lebende Imkerbienen. 


Und was ist jetzt mit der Wildbiene die über viele Millionen Jahre in Deutschland gelebt hat? Sie lebt nicht mehr. Die Apis mellifera mellifera, auch Dunkle Biene genannt, ist nicht mehr in den Wäldern zu finden. Selbst wenn wenige Völker überlebt haben, dann hat sich das in den 70-er Jahren erledigt. Bereits in den 30-er Jahren haben die Imker in Deutschland mit der österreichischen Carnica geimkert. Sie war zwar nicht so kälteresistent wie die Einheimische Dunkle, aber züchterisch schon selektiert und auf Honigertrag getrimmt. Da kamen die Dunklen bald nicht mehr mit. Mit der Machtergreifung der Nazis wurde befohlen in den meisten Gebieten die einheimische Dunkle durch die ertragsreichere Carnica zu ersetzen. Nach dem Krieg wurde dieser Plan fortgesetzt und auch die wenigen Imker, die ihre Einheimischen behielten, mussten zusehen, wie durch die Übermacht der Carnica Drohnen ihre Völker ihre Eigenschaften verloren. So muss es auch bei den letzten Honigbienen in den Wäldern gewesen sein. Fakt ist, die Dunkle Biene und somit die autochthone (einheimische wild lebende) Honigbiene ist in Deutschland ausgestorben. Somit gehört sie auf die Rote Liste der ausgestorbenen Wildbienen. Aber auf der Bundesdeutschen Liste steht sie nicht als bedroht drauf, sondern in ausreichender Zahl als domestizierte Biene. Moment mal! Aber die einheimische ist doch ausgestorben. Die Imkerbiene ist doch eine Carnica / nicht einheimisch oder eine Buckfast / gezüchtete Rasse. Oder inzwischen ein Gemisch aus allen. Das kann man doch unterscheiden und die Wildform als ausgestorben erklären. Der Biologe sagt jetzt, die Art gibt es ja noch, Apis mellifera. Nur die Unterart ist ausgestorben. Ja aber das ist ja nicht mehr die Wildform...


Sehr merkwürdig. Wenn man unterscheidet, zwischen Wildbiene und Nutztier grenzt man klar ab. Man sagt, die Honigbiene sei keine Wildbiene sondern ein domestiziertes Nutztier und sie wird inzwischen aus Naturschutzgebieten verbannt. Wenn es aber um das ausgestorbene Wildtier geht, dann gelten andere Regeln? Das kann ich nicht verstehen. Das einzige Bundesland, das so viel Verständnis aufbringen kann, ist Nordrhein-Westfalen. Denn hier steht die Apis mellifera mellifera auf der Roten Liste der Wildbienen. Und zwar mit Null. Also exitus. Und was hat die ausgestorbene Wildbiene davon? Erstmal Aufmerksamkeit. 


Es gibt sie noch am Rande Europas, die Apis mellifera mellifera. In einigen Gegenden sogar noch wild lebend und nur wenig durch andere Unterarten verkreuzt (auch in den anderen Ländern war man scharf auf andere Unterarten und mehr Honigertrag). Man könnte beispielsweise ein Schutzgebiet schaffen und sie hier wieder ansiedeln. Und warum? Also erstmal, weil es sie noch gibt. Einfach nur damit sie wieder da ist. Wenn es heute noch den Auerochs geben würde, (er ist leider 1627 ausgestorben, weil der Mensch seine Lebensräume beschlagnahmt und ihn bejagt hat) würde man ihm auch ein Reservat geben. Im Übrigen sucht man in Naturschutz Gebieten nach einem Ersatz, um die halboffenen Weidelandschaften zu pflegen. Hier kommen dann Robustrinder, wie das Heckrind zum Einsatz. Die Brüder Heck wollten aus verschiedenen alten Rinderrassen den Auerochs zurückzüchten. Was nicht wirklich gelungen ist. Zurück zur Biene. Wir müssen hier keine Biene zurückzüchten (was auch nahezu unmöglich wäre) sondern wir könnten die Regionen, wo sie noch wild vorkommt, unterstützen, um die Wildform zu erhalten und bei uns die Möglichkeiten zu schaffen sie wieder anzusiedeln. 


Einfach nur so oder gibt es auch noch einen praktischen Nutzen? Inzwischen wird das Interesse bei den Imkern für die Dunkle Biene immer größer. Sie wollen sich für ihren Erhalt einsetzen. Sie sehen aber auch ihren eigenen Vorteil. Sie ist kaum züchterisch verändert und bietet dem Imker zahlreiche Vorteile. Ihr Körperbau ermöglicht es ihr bereits bei kälteren Temperaturen Pollen und Nektar zu sammeln und somit auch Blüten zu bestäuben. (Mellifera ca. 10 °C, Carnica ca. 12 °C) Das macht im Frühjahr viel aus, um Frühblüher und Obst zu bestäuben. Sie überwintert in recht kleinen Völkern, entwickelt sich dann aber angepasst an die Trachtbedingungen. Wenn mehr blüht, entwickelt sich das Volk schneller, wenn wenig blüht stagniert auch die Volksentwicklung. Andere Imkerbienen wie Carnica und Buckfast sind nicht so maßvoll. Sie entwickeln sich schnell, müssen dann auch gefüttert werden, weil sie sonst verhungern würden. Den sich langsam entwickelnden solitären Wildbienen stehen so schon zeitig unnatürlich große Volkseinheiten gegenüber. Die Dunklen entwickeln sich wie gesagt angepasst an die Tracht und stehen so nicht in Nahrungskonkurenz zu den Solitärbienen. Das stellt auch Paul Westrich in seinem Buch „Die Wildbienen Deutschlands“ heraus. Diese an die Trachtbedingungen angepasste Bruttätigkeit ist das ganze Jahr über von Vorteil. Die Dunkle hat ihre Vorräte immer im Blick und muss nicht gefüttert werden. Das führt bei Trachtmangel immer mal wieder zu kleineren Brutnestern oder zu kompletten Brutunterbrechungen. Das ist die perfekte Antwort auf den Brutparasit Varroa Milbe. In diesen Brutpausen kann sich auch die Milbe nicht vermehren. Sie findet nicht einmal Unterschlupf, um sich zu verstecken und wird von den Bienen abgeputzt. Mit ihren Mundwerkzeugen knabbern sie die Haftnäpfchen der Milben ab und machen sie so unschädlich. Mit viel Aufwand versuchen Züchter ihren Honigbienen diesen Putztrieb anzuzüchten, möchten aber den großen Honigertrag behalten. Freunde der Dunklen Biene berichten in schlechten Jahren trotz geringer Tracht von mehr Honigertrag der Dunklen, weil sie mit ihren Vorräten besser haus hält und nicht gefüttert werden muss. Nur in guten Jahren hätten die gezüchteten Bienen die Nase vorn. Auch in anderen Dingen ist die Dunkle Biene besser aufgestellt, um in der freien Natur überleben zu können. Sie fliegt deutlich weiter zu den Blühpflanzen (Dunkle ca.5 km, Carnica ca. 3km) Viele Eigenschaften, die in den ausgeräumten Landschaften von besonderem Vorteil sind. Weiterhin sind sie wehrhafter, um Eindringlinge abzuwehren und auch ihre Behausung schützen sie stärker mit einer Propolis Schicht, einem Gemisch aus Baumharzen, Wachs und eigenen Enzymen. Auch die Gezüchteten kitten ihre Beuten zu. Aber nicht so stark, wie die einst wilde Honigbiene. Man hat es ihr ab gezüchtet.


Das sind zunächst die Vorteile aus der Sicht des Imkers. Gibt es auch Vorteile aus der Sicht der Wildbiene und allgemein für das Ökosystem? Es ist davon auszugehen, dass sie in ihrem ehemaligen Lebensraum eine große Lücke hinterlassen hat. Da fällt jedem als erstes die Bestäubungsleistung ein. Mir kommen als erstes die Symbioten und Parasiten in den Sinn, die mit und von der Biene gelebt haben. Nicht nur die Biene selbst ist hier Futter für andere Tiere, sondern auch Honig und Wachs oder die Raupen der Wachsmotte. Auch interessant zu lesen, das Spechte Baumhöhlen wieder beziehen, nachdem Honigbienen drin gewohnt haben. Da kommt mir gerade in den Sinn, dass der Propolis Überzug und seine antimikrobielle Wirkung geradezu von Vorteil für den Specht und seine Behausung sein müssen. Der Fäulnisprozess in der Baumhöhle wird gestoppt und macht die Baumhöhle attraktiver und länger bewohnbar. Die Rolle der wild lebenden Honigbiene im Ökosystem Wald hat Sigrun Mittl sehr eindrucksvoll auf ihrer Webseite beschrieben. https://bienen-dialoge.de/mosaikstein-im-oekosystem-wald-die-wild-lebende-honigbiene/ An dieser Stelle möchte ich nochmals auf die, an die Trachtbedingungen angepasste Volksentwicklung hinweisen. Jedes Honigbienen Volk, welches sich angepasst an die Natur entwickelt, lässt auch anderen Lebewesen in diesem Ökosystem den Raum sich angepasst zu entwickeln. 

Ich freue mich , wenn du mit diskutierst , mit dem Ziel den  Wildbienen  zu helfen. 



Danke und viele Grüße Haiko